EU-Zahlungsverzugsverordnung – neue strenge Zahlungsfristen von maximal 30 Tagen geplant

Gemäß einer Statistik der EU-Kommission ist jede vierte Insolvenz auf nicht fristgerecht beglichene Rechnungen zurückzuführen. Im Durchschnitt wird eine von zwei Rechnungen im Geschäftsverkehr verspätet (oder überhaupt nicht) beglichen. Dem will die EU-Kommission durch eine neue Verordnung, die die bisherige Zahlungsverzugsrichtlinie aus dem Jahr 2011 ablösen soll, entgegenwirken. Die Verordnung soll für Zahlungen im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (B2B) sowie zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen (B2G), bei denen die öffentliche Stelle der Schuldner ist, gelten.

Der Verordnungsentwurf sieht folgende zentrale Änderungen vor:

1. Zahlungsfrist maximal 30 Tage Der Entwurf sieht eine feste Obergrenze von 30 Tagen für die vertragliche Vereinbarung von Zahlungsfristen im Geschäftsverkehr vor, wobei – anders als bisher – keine Ausnahmen mehr zulässig sein sollen. Bislang können Zahlungsfristen von 60 Tagen individualvertraglich vereinbart werden, soweit dies für den Gläubiger nicht „grob nachteilig ist“ (§ 271a Bürgerliches Gesetzbuch).

2. Abnahme- oder Überprüfungsverfahren nur im Ausnahmefall Der Vorschlag sieht vor, dass ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren nur dann ausnahmsweise im nationalen Recht vorgesehen werden kann, wenn dies aufgrund der besonderen Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung unbedingt erforderlich ist. Die Dauer eines Abnahme- oder Überprüfungsverfahrens soll künftig 30 Kalendertage nicht überschreiten dürfen. Auch diesbezüglich sollen keine Ausnahmen zulässig sein. Bislang können auch längere Abnahmefristen vertraglich vereinbart werden (§ 271a Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch).

3. Automatische Verzugszinsen Verzugszinsen sollen künftig zugunsten von Gläubigern automatisch an diesen gezahlt werden, ohne dass es einer Zahlungserinnerung bedarf. Verzugszinsen sollen ab Rechnungseingang bzw. einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung beim Schuldner oder ab Erhalt der Waren oder Dienstleistungen anfallen. Es soll ein fester Verzugszins in Höhe des Bezugszinssatzes zuzüglich acht Prozentpunkte festlegt werden. Der Gläubiger soll auf sein Recht, Verzugszinsen verlangen zu können, nicht mehr verzichten dürfen.

4. Schaffung von Durchsetzungsbehörden Jeder Mitgliedstaat soll mindestens eine oder mehrere öffentliche Stellen benennen, die für die Durchsetzung der Verordnung verantwortlich sind. Diese Behörden sollen weitreichende Befugnisse erhalten, wie Informationsverlangen, unangekündigte Nachprüfungen vor Ort, Anordnungen von Zahlungen von Schuldnern an Gläubiger und Verhängung von Bußgeldern. Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Verordnung einzuführen. Gläubiger sollen Beschwerden bei der Durchsetzungsbehörde einreichen können, wenn Schuldner ihre Rechnungen nicht begleichen.

5. Keine Umsetzung in nationales Recht erforderlich Die Kommission will die geltende Richtlinie durch eine Verordnung ersetzen, diese ist im Gegensatz zu einer Richtlinie unmittelbar und einheitlich für alle EU-Staaten anwendbar. Damit bleibt kaum Umsetzungsspielraum auf nationaler Ebene.

Bewertung des bvdm und Ausblick Das Ziel, zuverlässige Zahlungsströme im Geschäftsverkehr zu fördern, wird durch den bvdm grundsätzlich unterstützt. Die vorgesehene starre Obergrenze von 30 Tagen im B2B Bereich ist jedoch abzulehnen. Notwendig sind auch künftig flexiblere Spielräume bei der individualvertraglichen Vereinbarung von Zahlungs- und Abnahmefristen entsprechend den aktuell geltenden Regelungen.

Für den Aufbau einer Parallelstruktur in Form von Durchsetzungsbehörden gibt es keine Notwendigkeit, da Gläubigern der Gerichtsweg offensteht. Zudem sind die vorgesehenen Befugnisse der Behörden unverhältnismäßig und mit tiefen Eingriffen in den Geschäftsbetrieb verbunden. Der damit einhergehende Bürokratieaufwand ist nicht zu rechtfertigen.

Seine Bedenken hat der bvdm über den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) durch die Verbändebeteiligung gegenüber dem Bundesministerium der Justiz eingebracht. Die Stellungnahme des ZDH ist im Internet einsehbar.

Der Bundesrat hat am 20. Oktober 2023 in seiner Stellungnahme (Drucksache 450/23) die „starren Zahlungsziele“ des Verordnungsvorschlags abgelehnt. Auch der Bundesjustizminister lehnt nach Medienberichten die starren Fristenvorgaben und Durchsetzungsbehörden ab. Daraus ist abzuleiten, dass sich die Bundesregierung für wesentliche Änderungen des aktuellen Entwurfs einsetzen wird.

Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments wird sich im Februar 2024 mit dem Vorhaben befassen. Die neuen Regelungen sollen 12 Monate nach Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten. Mit Blick auf die im Juni 2024 anstehende Europawahl ist nicht abzusehen, wie lange der Gesetzgebungsprozess dauern wird.

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